Gott sey Lob
und Dank, daß ich doch endlich wieder hier und einiger maßen bey
halbmenschlichen Geschöpfen bin; denn in H…. hat doch noch einer oder andre die
Seine gesehen, oder im Parterre pfeifen gehöret. Aber bey euch in Westphalen,
ist das ein Wust von runden ehrlichen Leuten, die man ohne Schaden nach dem
Gewichte verkaufen könnte; man erstickt bey eurer vielen Gesundheit, und eure
sogenannten Damen haben eine Physionomie, wobey einem angst und bange werden
sollte, wenn sie nicht zum Glück für uns vernünftig wären. Sie haben nichts von
dem sanften Gelispel, nichts von der zärtlichen Mattigkeit, nichts von der
zitternden Empfindsamkeit, und überhaupt nichts von der unaussprechlichen
Morbidezza, welche die geringste Bürgerfrau in Paris sich so oft sie will zu
geben weis. Das feine Sonderbare, die künstlichen Launen, die schlauen
Quälereyen, und alle die kleinen allerliebsten Spitzen, womit das andre
Geschlecht bey uns eine rechte Zauberkraft ausübt, sind ihnen eben so
unbekannt, als unsre schwebenden Ruhebettgen im rosenfarbigen Sommercabinet.
Sie lachten sogar über die letztern, wie ich ihnen einmal einen Begrif davon geben
wollte, und glaubten, welche Einfalt! man könnte bey gewissen Vorfällen wohl
von Natur schamroth werden, ohne eben nöthig zu haben, das Licht durch rothe
Vorhänge fallen zu lassen, und mit diesem Wiederscheine einem leichtfertigen
Falle das Ansehen einer überwundenen Tugend zu geben. So entfernt seyd ihr noch
von den herrlichen Kunsttrieben und Kunsttugenden, die sich doch zu dem
natürlichen, wie eine Pastete von La Boulaye zu euren großen Bohnen verhalten.
Eine solche thierische Art von Menschen, die ihre Seele blos mit gesunden
Wahrheiten füttert, und wenn man ihr die neuesten Erfindungen in der Kunst zu
genießen, mit den feurigsten Farben mahlt, oder ein Operetgen von Gretry mit
aller Grazie vorsingt, kaltsinnig antwortet, daß wir das italiänische nur süß
und leicht, das englische schwach und mishellig, ihr deutsches aber vollends
lahm machten, habe ich in meinem Leben nicht angetroffen.
Der Hang zum vernünftigen und
nützlichen ist zwar freylich nicht zu verachten; und ich gönne es euren Bauren
gern, daß sie lieber eine gute lange Predigt als eine Opera hören. Aber daß
Leute von Stande einen solchen groben Geschmack haben; und daß Damen, die doch
nur zum Vergnügen in der Welt erschaffen sind, ein solches Pflanzenleben führen
können, dieses ist mehr als ein Philosoph berechnen kan. Wann man dergleichen
Charaktere auf unser Bühne vorstellen wollte; so würde die parisische Welt den
Verfasser für eine so abentheurliche Uebertretung der menschlichen Natur ohne
Barmherzigkeit auspfeifen; und entdeckte er ihnen dann vollends was ich noch
weiter gesehen, daß alle eure verheyratheten Weiber, Kinder und oft sehr viele
haben; daß sie ihre edelste Zeit mit deren Erziehung zubringen; und daß es bey
euch Männer giebt, welche dergleichen Kindermütter mit zärtlichen Augen ansehen
können: so würde ihn der ganze Hof ohne Gnade für verrückt ausschreyen. Dem
Pöbel allein liegt es ob die Welt zu bevölkern; und eine so einfältige
Fruchtbarkeit ist der höchste Grad der Dummheit.
Und
eben so denke ich von allen euren baren Tugenden und ofnen Herzen. Jene sind
wie eure rohen Schinken, und diese gleichen einer nackten Haut ohne Schminke,
die man ohne zu schaudern nicht ansehen kan. Dafür ist es hier denn doch noch
gülden, da ist noch Tugend so schön wie Butter a quatre couleurs.
Eure
Mannthiere sind aber in ihrer Art fast noch lächerlicher. Diejenigen, so bey
uns das Land regieren, haben ihre Hauscanzleyen, welchen sie einmal für alle
sagen: zugestanden, was Geld einbringt, und alles übrige abgeschlagen. Die
Ausfertigungen gehn demnächst ihren Gang, und es braucht keines weitern
Vortrags. Der Staat ist da das Generalhospital; wenn der Arzt nur einmal gesagt
hat: Zur Rechten Ader gelassen, zur Linken abgeführt: so wissen die Handlanger
mehr als zu viel. Was würde es auch für eine erschreckliche Arbeit seyn, alle
Krankheiten zu untersuchen oder alle Sachen selbst einzusehen, und so wie euer
Herr M…. thut, bey jedem Ja und Nein, was er auf die eingekommenen
Vorstellungen setzt, mit einem Buchstaben noch besonders zu bemerken, ob das
Nein piano, andante, andantino, grave, forte, piacevole gratioso oder stoccato
und allabreve ertheilet werden soll?
In
eurem Lande hingegen arbeiten dergleichen Herrn oft für einen armen Bauren, als
wenn des ganzen Landes Wohlfahrt daran läge, ob ein Hundert dergleichen
Krautköpfe mehr oder weniger in der Welt wären; die edlen Abendstunden, die in
der ganzen vernünftigen Welt der Freude heilig sind, werden nicht einmal der
Arbeit entzogen, und um zu ihnen zu kommen, braucht man so wenig den Schweizer
als den Kammerdiener zu bestechen. Euer ganzer Adel braucht nicht so viel
wohlriechendes Wasser als ich für meine Person allein, und dünkt sich groß ohne
auch nur einmal von weiten gesehen zu haben, wie unser König sein Hemd anzieht,
oder sein Morgengebet abstößt. Eure Gelehrten wissen kaum mit dem Hunde einer
Dame geschweige denn mit vernünftigen Menschen umzugehen; und der geringste
Schuhflicker in Paris hat mehr feine Lebensart als euer bester Vollmeyer. Ich
begreife gar nicht wie es sich in einem solchen Lande leben läßt, wo die Leute
nichts thun als arbeiten, essen, schlafen, und sich wohl befinden. Wo man
keinen König zu bedauren, keinen Minister zu verfluchen, keine Gräfin zu
kreuzigen, keine Commiß zu spiessen, keine Verordnung zu verspotten, keine
Freunde zu stürzen, keine Großen zu hassen, keine Partheyen zu erheben, und
keine Krankheiten zu erzählen hat; wo es keine Männer zu betriegen, keine
Weiber zu verführen, keine Tugend zu kaufen oder zu verkaufen, keine Patrioten
zu erhandeln, und keine Betrieger zu verehren giebt; kurz wo die Uebertretung
aller zehn Gebote Gottes einem so wenig Ansehn als Vergnügen giebt. Nur Schade,
daß ich nicht daran gedacht habe ein Geschöpfe eurer Art mit nach Paris zu
nehmen, um den Herrn von Buffon besser in Stand zu setzen, die Classe der
Abweichungen in der menschlichen Art noch mehr zu bereichern, und ein Gerippe
von euch in der Kunstkammer des Königs mit meiner Beschreibung aufzustellen.
Hiemit Gott befohlen und die Rechnung bezahlt, womit ich dich bey meiner
Abwesenheit beehret habe.