Die Traumbude von Erich Maria Remarque als Taschenbuch - Portofrei bei  bücher.de

Die Traumbude

Ein Künstlerroman von Erich Remark

 

Erstausgabe: Erich Paul Remark. Die Traumbude. Ein Künstlerroman. Dresden: Verlag der Schönheit, 1920 (Bücherei der Schönheit 4).

Aktuelle Ausgabe: Erich Maria Remarque. Die Traumbude. Ein Künstlerroman. In der Fassung der Erstausgabe mit Anhang und einem Nachwort herausgegeben von Thomas F. Schneider. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2020 (KiWi 1742).

 

 

 


Inhalt

Fritz Schramm, Osnabrücker Dichter und Maler, 38 Jahre alt, an einem Lungenleiden erkrankt, empfängt in seiner Dachwohnung, die »Die Traumbude« genannt wird, junge Menschen, die ebenfalls künstlerisch ambitioniert sind. Zu ihnen gehören Fried und Paulchen (Paula), die sich zu ähnlich sind, um sich lieben zu können, Trix Bergen aus Rostock, die auf der Suche nach dem Glück ihr Elternhaus verlassen hat - vor allem aber Ernst Winter und Elisabeth Heindorf.
Ernst, ein 23jähriger Komponist verbringt die meiste Zeit in anderen Städten, um dort zu studieren. Während eines Urlaubs in Osnabrück lernt er die junge Elisabeth kennen und lieben, ist aber nicht reif genug, diese Liebe auch schon zu leben. Er fährt nach Leipzig, wo er mit der Opernsängerin Lanna Reiner ein Verhältnis beginnt, welches mehrere Monate andauert.
Unterdessen wächst Elisabeth zu einer reifen Frau heran. Sie erinnert Onkel Fritz an dessen verstorbene Liebe Lu, zu der Fritz aber durch unglückliche Umstände nie stehen durfte. Durch die Bekanntschaft mit Elisabeth lebt Onkel Fritz noch einmal auf und kann durch diese Kraft auch Trix Bergen mit ihren Eltern versöhnen sowie Elisabeth davon überzeugen, dass Ernst eines Tages zu ihr zurückkehren wird.
Nach einigen Monaten erkrankt Fritz ernsthaft und stirbt bald darauf. Nachdem Ernst durch die Nachricht vom Tode Fritz' »aufgewacht« ist und seine Beziehung zu Lanna beendet hat, reist er zurück nach Osnabrück und erkrankt an hohem Fieber. Nach seiner Genesung schreibt er ein musikalisches Werk zur Erinnerung an Fritz und findet durch diese Art Selbstreinigung zu Elisabeth.

 

Auszug (Seite 189-190)

»Kinder – ich muß nun wohl von Euch gehen – es wird mir schwer. Habt Halt in Euch! Hört mein Wort – sucht das Glück nicht in der Welt – das Glück ist in Euch – seid Euch treu – und geht vom gefundenen Ich den seligen Weg zum Du – und dann zum All – die blaue Verschwisterung – alle sind Eure Brüder und Schwestern – Bäume – Wüste – Meer – die Wolke im Abendrot – der Wind im Wald – nichts ist Trennung und Zwiespalt – alles Einheit und Harmonie – ewige Schönheit –. Stimmt Eure Seelen nach der großen Harfe – Natur – wenn sie einmal zerrissen klingen –. Alles fließt –. Verknöchert nicht – alles verstehen – heißt alles verzeihen –. Es ist viel Bitternis und Rätsel für Menschensinn auf der Erde – und das Letzte – liegt oft in einer Rose – einem Lächeln – einem Traum. Ich falte meine müden Hände zum letzten Halt vor der blauen Tiefe – hinuntergleitend rufe ich Euch zu, die ihr noch in der Sonne geht –: Bleibt Euch treu –! Laßt uns dieses Glas trinken darauf – es sei Vermächtnis und Schwur – dieses Glas dem Leben und dem Tode – dem ewigen Es – und der liebsten Toten -.«
In ihren Wein fielen die Tränen; aber sie tranken die Gläser bis auf die Neige leer.
Fritz schöpfte Atem und sprach dann leise weiter: »Bleibt zusammen – Ihr findet Halt in Euch am andern. Und vergeßt der Menschen nicht. Gebet! Was braucht ihr Dank! Das Bewußtsein ist Dank genug. Gebet Seelenwerte – die Welt ist arm daran. So mancher ist an einem guten Wort wieder Mensch geworden, dem Gold nie geholfen hätte –. Sucht zu den Menschen ein anderes als mechanisches Verhältnis – ein menschliches – und ihr werdet Schätze finden. Der Mensch ist gut! –. Haltet daran fest –. Die Traumbude soll – euch gehören – – Lu –« er atmete hastiger – »mein wundervoller, verschollener Blütentraum in dämmerdunkeln Gärten – versungen – verklungen – bald erlöscht die Kerze – und es ist alles –«

 

Kontext / Analyse

Remarque verarbeitet in diesem Roman Erlebnisse aus den Jahren 1915–1916/17, in denen er sich dem sogenannten »Traumbudenkreis« anschloss, in dessen Mittelpunkt der Osnabrücker Kunstmaler und Dichter Fritz Hörstemeier stand. Entsprechend seiner Verehrung für Hörstemeier widmet er seinen ersten Roman sowohl diesem als auch dessen »verstorbener Liebe Lucile Dittrichs« (im Roman »Lu«).
Die Stadt Osnabrück, die Remarque durch die Verwendung authentischer Straßennamen und Orte (Dom, Schölerberg, Große Straße, Möserstraße, Café Wittekind) als Beispiel einer Stadt der Mitte zwischen ländlicher Ruhe und Beschaulichkeit und der modernen Hektik beschreibt, ist nicht nur für Fritz Schramm die letzte Station auf der Suche nach Ruhe. Auch Ernst Winter kehrt hierher zurück, nachdem er in Leipzig durch die Affaire mit Lanna Reiner gereift ist und sich endgültig zu seiner Liebe zu Elisabeth bekennen kann. Während Lanna Reiner die pure Verführung und sinnliche Wollust verkörpert, steht Elisabeth für Weiblichkeit, eine reine - vernünftige, aber nicht vernunftgeleitete - Seele, nach der jeder Mann suche.
Zahlreiche Gespräche über Kunst, Natur und das Leben geben dem Autor die Gelegenheit, seine Vorlieben für Chopin oder Grieg, die Lyrik Fritz Hörstemeiers sowie Goethes und Eichendorffs ausführlich dazulegen. Elemente von Empfindsamkeit, Naturalismus, Nietzsches Naturphilosophie aber auch Ansätze eines »Körperkultes« finden Eingang in die Beschreibungen. Wie auch in vielen anderen Texten seines Frühwerks bedient Remarque sich der Elemente zeitgenössischer Philosophie und kultureller Strömungen, ohne dabei wirklich zu einer ausgereiften und theoretisch fundierten Weltanschauung zu gelangen. Obwohl Remarque vorgeworfen wurde, durch die Nähe zum Verlag Die Schönheit und seiner zahlreichen Publikationen in der gleichnamigen Zeitschrift, in der nachweislich spätere Nationalsozialisten publizierten, von faschistischer Ideologie selbst nicht weit entfernt zu sein, finden sich in Die Traumbude neben deutschtümelnden »Beschwörungen« von Geist und Natur gleichermaßen völkerverständigende Bekenntnisse zu den europäischen Nachbarländern.
»Die Welt ist schön; aber bei uns ist sie am schönsten. Das ist subjektiv, und ich weiß, daß der Engländer, Franzose, Spanier, der das sagt, auch recht hat. Und der Italiener vielleicht noch mehr. Dennoch sage ich es und habe auch recht!«
Hauptaspekt seines Romans bleibt aber die Suche nach dem Schönen in Kunst, Kultur und Natur sowie die Erinnerung an seinen Mentor Fritz Hörstemeier.
In deutscher Sprache wurde der Roman nach der Erstveröffentlichung 1920 erst 1998 wieder aufgelegt, lediglich einige wenige Übersetzungen sind erschienen, so dass der Text - ebenso wie fast das gesamt Frühwerk- heute immer noch nahezu unbekannt ist.

 

Weiterführende Literatur

Erich Maria Remarque. Die Traumbude. Station am Horizont. Die unselbständigen Publikationen (1916-1968). Bibliographie zusammengestellt von Thomas F. Schneider und Donald Weiss. Osnabrück: Universitätsverlag Rasch, 1995 (Schriften des Erich Maria Remarque-Archivs; 9) [R-A 6.1.2.011].

Richard Arthur Firda. »Young Erich Maria Remarque: Die Traumbude«. Monatshefte 71 (1979), 49–55.

Petra Oerke. »›Geliebter Fritz‹. Entstehung und biographischer Hintergrund von Remarques erstem Roman Die Traumbude (1920)«. Thomas F. Schneider (ed.). Erich Maria Remarque. Leben, Werk und weltweite Wirkung. Osnabrück: Universitätsverlag Rasch, 1998 (Schriften des Erich Maria Remarque-Archivs 12), 41–56.

Petra Oerke. »Erläuterungen. Die Traumbude (1920)«. Erich Maria Remarque. Das unbekannte Werk. Frühe Prosa. Werke aus dem Nachlaß. Briefe und Tagebücher. Herausgegeben von Tilman Westphalen und Thomas F. Schneider. Vol. 1: Frühe Romane. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1998, 563–570.

Brian Murdoch. The Novels of Erich Maria Remarque. Sparks of Life. Rochester/NY, Woodbridge: Camden House, 2006, 1–30.

Thomas F. Schneider »Ein Denkmal. Zu Erich Maria Remarques erstem Roman Die Traumbude«. Erich Maria Remarque. Die Traumbude. Ein Künstlerroman. In der Fassung der Erstausgabe mit Anhang und einem Nachwort herausgegeben von Thomas F. Schneider. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2020 (KiWi 1742), 295–318.